An den
Bundestagsabgeordneten
Marco Bülow, (desweiteren an Ulla Burchardt, Markus Kurth, Erich G. Fritz)
Offener Brief zum Thema
Stuttgart21 und Bahnverkehr in Dortmund und NRW
Sehr geehrter Herr Bülow,
Stuttgart21 ist seit
Wochen eines der beherrschenden Themen in der Bundespolitik. Wir, der
Kreisverband Dortmund-Unna des umweltorientierten Verkehrsclubs Deutschland
(VCD), möchten Sie mit diesem Schreiben auf die Folgen dieses Großprojektes für
Dortmund und für Nordrhein-Westfalen – und damit auch für Ihre Wählerinnen und
Wähler - aufmerksam machen. Und die sind nicht gering.
Gegen Stuttgart21 sprechen
viele Fakten. Aus Dortmunder Sicht vor allem das Kostenargument. Allein der
Kopfbahnhof soll nach der hoch umstrittenen Rechnung der Bahn 4,1 Milliarde
Euro kosten, wovon die Bundesregierung allein 1,2 Milliarden tragen soll. Das
ist mehr, als der Bund zuletzt jährlich in die gesamte Bahninfrastruktur investiert
hat, und 173 mal soviel, wie die aktuelle Sanierung des Dortmunder
Hauptbahnhofes (ohne Verkehrsstaton) kosten werden. Dabei unterscheiden sich
die beiden Bahnhöfe in ihrer Bedeutung gar nicht so sehr: Zwar hat Stuttgart
täglich mehr Reisende, in Dortmund halten dafür sowohl mehr Fern- als auch mehr
Nahverkehrszüe. Dazu kommen natürlich noch die Kosten für die Neubaustrecke
zwischen Stuttgart und Ulm (mindestens 2,9 Mrd. Euro). Kostensteigerungen sind
bei beiden Projekten sicher.
Wird Stuttgart21 jetzt
gebaut, heißt das: Wichtige Bahn-Projekte in Dortmund und Umgebenung sind damit
auf Jahre blockiert, ja unmöglich. Da ist vor allem die dringend erforderliche
Sanierung des Dortmunder Hauptbahnhofes zu nennen: Knapp 100 Millionen hat die
Deutsche Bahn für den Umbau der Verkehrsstation angesetzt, ein Vierzigstel des
Betrages, der für Stuttgart21 anfällt. Für Aufzüge etwa, die es bislang nur zu
den S-Bahn-Gleisen gibt, nicht aber zum ICE, für funktionierende Rolltreppen,
für eine Verbreiterung des Personentunnels und und und. Alles längst
überfällig, aber umsetzen will die Bahn diesen Umbau erst, wenn der
Rhein-Ruhr-Express kommt. Frühestens also Ende dieses Jahrzehnts. Der
Zusammenhang zwischen RRX und Bahnhofs-Umbau ist dabei keinesfalls zwingend,
und ob der RRX überhaupt kommt, unklar – auch deshalb, weil wegen Stuttgart21
das Geld fehlt. Das heißt: Der Dortmunder Bahnhof bleibt, was er ist: als
Verkehrsstation völlig unzulänglich, in seiner Größe wohl der schlechteste
Bahnhof in ganz Deutschland, ein erbärmliches Aushängeschild für die Stadt.
Geld fehlt auch für die
Sanierung zahlreicher weiterer kleiner Bahnhöfe auf Dortmunder Stadtgebiet
sowie im Umland, obwohl auch dies dringend erforderlich wäre.
Gefährdet durch
Stuttgart21 sind auch zahlreiche Schienenausbau-Projekte in NRW. Genannt seien
hier beispielhaft der RRX, also der Ausbau der Strecke zwischen Dortmund und
Köln, sowie das zweite Gleis für den Abschnitt Lünen – Münster. Auf dieser
wichtigen Strecke (Köln-Ruhrgebiet-Hamburg) drängen sich seit Jahrzehnten Fern-
und Nahverkehr auf ein einziges Gleis, Verspätungen besonders im Nahverkehr,
aber regelmäßig auch im Fernverkehr sind Folge dieses Nadelöhrs im Bahnverkehr.
Wir appellieren an Sie,
setzen Sie sich ein für diese wichtigen Bahnprojekte in Dortmund und NRW,
kommen Sie Ihrem Wählerauftrag nach. Und das heißt zwingend: Helfen Sie mit
Stuttgart21 zu stoppen, bringen Sie Bundesregierung und den
Vorstandsvorsitzenden des Bundesunternehmens Deutsche Bahn AG zur Vernunft.
Wenn in Stuttgart Milliarden im Untergrund verpulvert werden, fehlt das Geld
für sinnvolle Projekte in Dortmund und Nordrhein-Westfalen. Wer Stuttgart21
gegen jeden Widerstand durchsetzt, ist sich für den Stillstand, nein:
Rückschritt im Bahnverkehr in Dortmund und NRW mitverantwortlich.
Auf ein Argument für
Stuttgart21 will ich eingehen: Die Behauptung, wenn dieses Projekt jetzt nicht
durchgezogen werde, könne kein Großprojekt in Deutschland mehr umgesetzt
werden. Das aber ist, mit Verlaub, hanebüchen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus.
Wer sinnlose Großprojekte wie Stuttgart21 durchdrückt, wird künftig selbst bei
wichtigen, sinnvollen Projekte mit heftigen Widerstand rechnen müssen.
Fachlich sprechen für
Stuttgart21 im Übrigen allein die städtebauliche Chancen, die sich durch die Untertunnelung
der Stadt ergeben. Das aber ist nicht Aufgabe des Bahnverkehrs, und die
Stuttgarter selbst sind ja offensichlich wenig interessiert an diesen Chancen.
Verkehrspolitisch bringt das Aus für den funktionierenden Kopfbahnhof in
Stuttgart viel mehr Nach- als Vorteile mit sich.
Mit freundlichen Grüßen
Lorenz Redicker
1. Vorsitzender
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