Hinter dem sperrigen Wortungetüm
„Integrierte Gesamtverkehrsplanung Nordrhein-Westfalen” (IGVP) verbirgt
sich die noch vom vorigen Landtag einmütig beschlossene Zusammenlegung
der bisher getrennten Landesbedarfspläne für Straßenbauprojekte und
ÖPNV-Maßnahmen zu einem einheitlichen Infrastrukturbedarfsplan.
Seit
2002 hat ein Gutachterstab deshalb rund 400 Straßenbauplanungen und
zirka 200 Schienenprojekte nach einem einheitlichen Verfahren unter die
Lupe genommen und auf ihren Nutzen für Verkehr, Gesellschaft und Umwelt
sowie auf ihr Kosten-Nutzen-Verhältnis hin untersucht. Angesichts der
Vielzahl der Projekte erscheint der Zeitaufwand von rund drei Jahren
für die Analyse durchaus gerechtfertigt.
Wenige
Tage vor Weihnachten nun hat das federführende
Landesverkehrsministerium (MBV) die Bewertungen aller untersuchten
Projekte ins Internet gestellt (www.igvp.nrw.de) und den Regionalräten
(das sind die „Parlamente” auf Bezirksregierungsebene) eine
Vorschlagsliste mit den zu verwirklichenden Projekten übermittelt, mit
der Maßgabe, bis Anfang März über diese Liste zu entscheiden. Zieht man
noch mindestens eine Woche für die Weihnachtstage ab, so verbleiben den
Regionalräten ganze acht Wochen, um sich durch die jeweils 10-seitigen
Bewertungs-Dossiers durchzuwühlen. Städte und Gemeinden sowie die
Zweckverbände hatten ganze 14 Tage Zeit, zu den Vorschlägen Stellung zu
beziehen. In dieser kurzen Zeit kann eine sachgerechte
Beurteilung der durchgeführten Bewertungen und eine sachgerechte
Entscheidung für bzw. auch gegen einzelne Projekte nicht erfolgen.
Diese wäre aber aufgrund der knappen Kassen dringender nötig denn je.
Dennoch sind unter Hochdruck eine Vielzahl von Stellungnahmen verfasst
worden und an die Bezirksregierung bzw. den Regionalrat geschickt
worden. Warum eigentlich die ganze Eile? Offensichtlich
fürchtet das Ministerium die ab Sommer obligatorische
Plan-Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), bei der noch einmal alle
vorgesehenen Maßnahmen auf ihre Umweltrelevanz hin untersucht werden
müssen – wer Angst vor so einer Prüfung hat, der hat sicherlich auch
seine Gründe dafür. Und ganz offensichtlich geht es darum, die neue,
angeblich ideologiefreie Verkehrsplanung ins Werk zu setzen. Von den
ca. 400 Straßenbauprojekten haben es immerhin zwei Drittel auf die
Vorschlagsliste geschafft, sie sollen bis 2015 verwirklicht werden. Bei
den ca. 200 Schienenprojekten sieht es da schon deutlich trüber aus,
ganze 29 Projekte hält das Ministerium für realisierungswürdig, dies
aber auch nur dann, wenn die Aufgabenträger die erforderlichen
Bestellgarantien abgeben und die erforderlichen Finanzmittel zur
Verfügung stehen. Eine solche Einschränkung gibt es bei den Straßen
selbstverständlich nicht, für Straßen ist offensichtlich genug Geld da.
Und auch die Auswahl der zu verwirklichenden Projekte lässt sich beim
besten Willen nicht aus der Analyse ableiten; eine hohe Nutzwertzahl
bzw. ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis führt noch lange nicht auf den
Pfad der Realisierung, umgekehrt ist eine miserable Bewertung durchaus
noch kein K.o.-Kriterium.
Für unsere Region sieht die
Sachlage so aus: Unter den 29 Schienenprojekten finden sich tatsächlich
auch 4 Stadtbahnprojekte für Dortmund wieder: • Die Umnutzung der alten Hoeschbahn vom Zehnthof (403) nach Schüren • Die Verlängerung der U 47 von Aplerbeck-Mitte bis Bahnhof Aplerbeck-Süd • Die Verlängerung der U 41 von Hörde nach Benninghofen und • Eine technischer Ausbau der U 47 zwischen Huckarde und Westerfilde
Nicht berücksichtigt sind hingegen die folgenden Projekte in und um Dortmund: • Der viergleisige Ausbau der DB-Strecke Dortmund – Hamm • Die Regionalstadtbahn nach Bergkamen (–Hamm) • Die Streckenbeschleunigung nach Schwerte / Iserlohn • Der Streckenausbau nach Herdecke / Hagen (Volmetalbahn; 30-Minuten-Takt) • Der Streckenausbau der S 5 nach Witten • Die Verlängerung der U 42 von Grevel nach Lanstrop • Die Verlängerung der U 49 von Hacheney nach Wellinghofen • Die Stadtbahnverbindung von Huckarde nach Kirchlinde • Die Einbindung von Phoenix-West in das Stadtbahnnetz • Damit verbunden die Gleisverbindung Reinoldikirche – Hauptbahnhof • Die (perspektivische) Einbindung des gesamten Westfalenhütten-Areals und • Die Verlängerung der U 46 von der Westfalenhalle bis Kirchhörde.
Sehr
vorsichtig ausgedrückt: Die Auswahl ist etwas überraschend. Die
Umwidmung der Hoeschbahn ist zwar interessant, aber bestimmt nicht das
vordringliche Projekt, die Anbindung von Phoenix-West hingegen steht
nach Ansicht des VCD ganz oben auf der Agenda, diese Stadtbahnstrecke
muss noch vor der Neuansiedlung der zahlreichen Unternehmen erfolgen,
sonst droht das gleiche Debakel wie im Technologiepark. Und auch der
Ausbau der DB-Strecke nach Hamm ist auf die allerdringlichste Stufe zu
stellen, hier behindern sich Nah- und Fernverkehr massiv, ein richtiger
Takt ist aufgrund der fehlenden Gleise nicht möglich, die Streichung
dieser Maßnahme unglaublich. Völlig klar ist, dass nicht
alle Projekte sofort nötig sind und deshalb bis 2015 komplett
verwirklicht sein müssen. Nach Vorstellung der Landesregierung aber
gibt es nur noch die oben genannten 29 Schienenprojekte (sofern denn
die Finanzvorbehalte erfüllt sind), alle anderen zum Teil schon sehr
detailliert geplanten Projekte landen im Papierkorb, die im bisher
gültigen ÖPNV-Bedarfsplan existierende Kategorie „möglicher späterer
Bedarf“ ist gleich mit entsorgt worden, auf dass man sich endlich nur
noch um die wirklich wichtigen Verkehrsprojekte, also die
Straßenbauvorhaben, zu kümmern braucht – „ideologiefreie
Verkehrsplanung” eben.
Der Regionalrat hat die zahllosen
Stellungnahmen aufgegriffen und am 9.2. zusätzlich zur
Ministeriumsliste (Liste 1) noch eine Reserveliste („Nachrücker“, wenn
Maßnahmen der Liste 1 ins Stocken geraten) sowie eine Liste für den
weiteren Bedarf (Liste 2) aufgestellt und damit den längerfristigen
Bedarf (nach 2015) dokumentiert. Jetzt bleibt abzuwarten, wie das
Ministerium und der Landtag mit diesem Votum umgehen. Albrecht Buscher
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